Geschichten der letzten drei WochenHauptseite
nur Scheiße

Diesen Tag im Rückblick auf eine Reihe zu kriegen, scheint mir geradezu unmöglich. Das Erste, an was ich mich erinnere, ist Scheiße.
Ich muss mich, nachdem ich von oben runter gekommen bin, nochmal kurz hingelegt haben. Als ich aufstehe, seh ich, der Teppich ist nass. Unser schlanker, schwarzer Hund zieht schuldbewusst seinen Schwanz ein. Ich schaue um mich, es ist unglaublich wie überladen unser Zimmer ist. Bücher, Hefte, Kleider, Haushaltsdinge... Als Evry aufsteht, fällt die Decke auf den Teppich. Mir ist klar, was das bedeutet. Sie hebt sie hoch – nass. Durch die ganze Unordnung schon gereizt, schlage ich die Hände vors Gesicht.
,,Hast du denn überhaupt einen Bezug zum Wechseln", rufe ich zu laut.
,,Hab ich doch!" sagt sie mit einer Stimme, die mich in Dämmstoff kleidet.
Noch immer bin ich außer mir:
,,Ich halt es nicht aus!", schreie ich.
Erst mit ihrem:
,,Jetzt fass dich doch!" bringt sie mich zur Besinnung. Das hätten wir überstanden. Aber es war noch nicht alles.

Als ich in die Flurhalle hinausgehe, sehe ich unsere drei Ziegen mit Kot auf dem Rücken. Nicht ihre schwarzen, trockenen Böbbel, die von selber runterfallen würden, sondern richtig braune, schmierige Scheiße. Ich weiß nicht, wie sie das hingekriegt haben. Am meisten die Große. Sie trottet, als sie mich sieht, zum Ausgang. Ich habe nichts in Reichweite, womit ich den Dreck entfernen könnte und gehe deshalb nur zaghaft hinter ihr her. Wie ich rauskomme, ist die Große weg.
Na, auch das noch, darf ich jetzt der Ziege hinterher rennen. Aufgeregte Stimmen von Kindern, ich glaube ich habe Glück, sie scheinen sie einzufangen.
Auf zwei übereinander gelegten dünnen Brettern überquer ich den Bach. Da ist sie ja, sie haben sie.
Aber wie jetzt zurück? Jetzt haben die Jungens auch noch die zwei lommeligen Bretter weggeholt. Ich staune, wie ruhig ich bleibe.
Das ist die Wirkung jenes Lehrers, der mit der eingesägten Brücke in den Bach fiel. Er hat unsereins eine heilige Scheu vor den Streichen der Kinder eingebläut. Geduldig lass ich mich den halben Meter zum Bach hinab. Lande sogar trocken auf dem angeschwemmten Sand.

Zurück in der Flurhalle nehm ich einen großen Schluck vom aufgestellten Saft. Das habe ich allerdings verdient nach der ganzen Aufregung. Die Kinder sind reingekommen, es ist eine ganze Klasse. Sie sollen auch etwas kriegen. Ich frage mich, ob’s für alle reicht.
Auf dem Weg zum Hauswartszimmer sprechen mich der Lehrer und ein Begleiter an:
,,Das ist unzureichend hier," beschweren sie sich. ,,Die Unterkunft, die ganze Einrichtung, das wollen wir unseren Schülern nicht zumuten."
Na gut, denk ich, das kann mir ja nur recht sein und gebe zur Antwort: ,,Was glauben Sie, wie’s mir geht. Ich will arbeiten! Denken Sie ich komme dazu! Mal Ziegen, mal Schulklasse, nie hat man hier seine Ruhe."
Es braucht nicht den Blick der beiden, es sind meine Worte selbst, die mich erstarren lassen. Ich seh all die Leute, die ich hasse, weil sie, statt ihre Arbeit schlecht und recht zu machen, nur an sich selbst denken und unentwegt mit ihrem Schicksal hadern. Ich sehe den schönen Terrakottaboden, denke an die ganzen sanitären Einrichtungen und an die vielen Zimmer oben - ideal für Gruppen. Es scheitert nur daran, dass ich für mich selbst sein will.

...

Hauptseitezum Textanfang